Als Jugendliche fiel ihr das nicht sonderlich schwer. Denn Kirche interessierte sie sowieso nicht mehr. Getauft war sie, ja, zur Kommunion schickten sie ihre Eltern auch, aber Firmung? „Wozu?“, dachte sich damals Sr. Franziska, die nicht einmal mehr in den Gottesdienst ging. Es interessierte sie schlichtweg nicht. Schließlich musste auch in der Schule der Religionsunterricht der Philosophie weichen.
Aber der Mensch denkt, Gott lenkt. „Immer häufiger stellte ich mir die Frage: Was ist der Sinn in meinem Leben? Wieso ist die Welt so und nicht anders? Hat das jemand geplant?“, erinnert sich die heute 30-jährige Sr. Franziska. Doch die Philosophie konnte ihr darauf keine Antwort geben. Sie verbrachte immer häufiger Zeit in der Bibliothek und las Bücher über Religion, Glaubenszeugnisse von Menschen, die die Antwort auf den Sinn des Lebens offenbar gefunden hatten.
Irgendwann ging sie wieder in die Kirche, besuchte die Hl. Messe und ließ sich mit 19 Jahren dann doch noch firmen. „Ich kann es bis heute nicht ganz in Worte fassen, aber da war eine Sehnsucht in mir, die immer größer wurde“, erzählt Sr. Franziska. Und immer wieder dachte sie an die Worte ihrer Oma zurück. Ob sie es damals wohl schon geahnt hatte? „Schließlich dachte ich: Ach, einmal schauen kannst du ja“, sagt sie. So besuchte sie das Bergkloster der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel in Bestwig, die vor allem karitativ und in der Jugendbildung tätig sind.
Eine Woche lang nahm sie dort am Ordensleben teil. „Da wurde mir plötzlich klar, dass mein Vorhaben, mir zu beweisen, das Ordensleben sei nichts für mich, gescheitert war“, sagt Sr. Franziska lächelnd, aber immer noch erstaunt darüber, wie sehr sie sich damals getäuscht und wie raffiniert und zärtlich zugleich sie Gott eines Besseren belehrt hatte. Ihre Berufung lag in der Kirche, da war sich Sr. Franziska nun sicher.
Nach dem Abitur in Mönchengladbach studierte Sr. Franziska Religionspädagogik in Paderborn, um Gemeindereferentin zu werden. „Aber das war mir dann doch zu wenig“, sagt Sr. Franziska, die sich immer mehr zum Klosterleben berufen fühlte. Nach dem Studium trat sie 2013 in die Gemeinschaft in Bestwig ein und lebte dort sechs Jahre lang.
Doch die junge Novizin fing an zu zweifeln, ob Bestwig wirklich der Ort sein konnte, den Gott für sie vorgesehen hatte. „Die Zeit in Bestwig war wunderbar und ich bin den Schwestern dort für die Erfahrungen sehr dankbar, aber die Sehnsucht nach mehr Stille und dem persönlichen Gebet wurde mit der Zeit immer stärker“, erzählt die junge Frau mit den großen braunen Augen. So kam es, dass sie im November 2019 in den Karmel St. Josef in Hannover wechselte.
Ein kontemplativer Orden der katholischen Kirche, der vor allem das innere Gebet pflegt. Die Wurzeln reichen bis ins frühe
13. Jahrhundert zurück. Damals entstand im Karmelgebirge, im Heiligen Land, der Stammorden aller heutigen karmelitanischen Gemeinschaften und mit ihm eine Spiritualität, die sich nach und nach vertiefen und entfalten sollte. Ihre bekanntesten Vertreter sind die hl. Teresa von Ávila und der hl. Johannes vom Kreuz.
„Teresa von Ávila war die Freundschaft zu Christus sehr wichtig“, erklärt Sr. Franziska, „und das war es auch, wonach ich mich so viele Jahre lang sehnte: Zeit zu haben, um einfach bei Christus, meinem besten Freund, verweilen zu dürfen.“ Fünfmal am Tag versammeln sich die elf Schwestern zum gemeinsamen oder persönlichen Gebet. Die Arbeiten, die entweder im Haus oder im Garten anfallen, verrichtet jede Schwester allein in Stille. Nur am Nachmittag gibt es eine Stunde Zeit für Gespräche.
Kaum vorstellbar in einer Welt, in der scheinbar jeder ruhige Moment mit dem Smartphone vertrieben werden muss. Und so verstanden nur wenige Menschen den Wunsch der jungen Frau nach einem Leben abseits von Ach und Krach. „Viele meinen, im Kloster sei man eingesperrt“, weiß Sr. Franziska, „aber in Wahr-heit bin ich hier so frei wie nirgends sonst. Ich kann ganz bei dem sein, den ich am meisten liebe. Ich kann ihm alles erzählen, für all jene beten, die mir am meisten am Herzen liegen.“
Dazu gehören für die Karmelitin auch ihre Freunde aus der Studienzeit. Die meisten von ihnen haben bereits Familien gegründet. „Eine Freundin hat sogar schon zwei Kinder“, erzählt sie freudig und fügt nach einer kleinen Pause, in der sie wieder so lächelt, als wäre sie einem großen Geheimnis fast auf die Schliche gekommen, hinzu: „Wir sind doch alle zum Mensch-Sein berufen. Wir alle können neue Menschen werden durch Christus, ihm nachfolgen. Jeder auf seine Weise: die einen im Orden, die anderen als Priester, in der Familie oder auch als Single.“ Sr. Franziska hat ihre Berufung gefunden.
Martha Klawitter-Weiß